Als in den 40’er-Jahren die ersten elektrischen Rechner (damals noch gross wie ein Haus) entwickelt wurden, stand der Wunsch nach einer schnellen Rechenmaschine vor allem zur Dekodierung von verschluesselten Nachrichten im Militaerbereich im Vordergrund. Damals konnte wohl noch niemand ahnen, dass in einigen Jahrzehnten PC’s auf nahezu jedem Bueroarbeitsplatz stehen. Ein PC, ein persoenlicher Computer, welch ein Gedanke! Die Rechner kosteten damals zig Millionen Dollar, von einem Schreibtischrechner war keine Rede. …
Als in den 60’er-Jahren die ersten kommerziell genutzten Grossrechner ihre Arbeit zu verrichten begannen, glaubten viele, dass das nun das Nonplusultra der EDV waere. Die ersten Klein- und Mikrocomputer in den 70’er-Jahren wurden von den Anhaengern der Grossrechner noch herablassend belaechelt, doch ihnen verging das Lachen schnell: Ausgerechnet ihr eigener Klassenprimus, IBM, wurde als erster abtruennig und entwickelte einen PC, auf dem der Anwender voellig disziplinlos machen konnte, was er wollte, ohne dass ihm ein Administrator auf die Finger schauen oder vielleicht sogar klopfen konnte. IBM besaenftigte noch seine Klassenkollegen: Der PC sei primaer fuer den Heim-Markt gedacht und habe im kommerziellen Bereich natuerlich keine Chance, hiess es. Doch nicht alle hielten sich an die von IBM festgesetzten Spielregeln. Und so fand der PC auch und vor allem seinen Weg in die Bueros und machte dort den dummen Terminals, die wie die Saugnaepfe des Kraken „Grossrechner“ den Anwender peinigten, Konkurrenz.
Anfangs hatte der PC noch Ehrfurcht vor den Kraken. Er passte sich so gut es ging an sie an. Er ahmte sogar die komplizierte Bedienung nach. Aus dieser Zeit stammt das fuer alle PC-Benutzer zur Qual gewordene Betriebssystem (?) DOS. Die PC’s versuchten es auf die gleiche praepotente Weise, wie ihre grossen Verwandten. Sie verlangten vom Benutzer, dass er sich an sie anpasste, obwohl sie ihm an Lern- und Anpassungsfaehigkeit weit ueberlegen waren. Mit Befehlen wie CHKDSK, CD und REN plagen sich noch heute Millionen PC-Ritter herum..
Und die Menschen folgten bereitwillig dem Ruf des PC’s. Sie lernten DOS-Befehle auswendig, uebten sich in fingerbrecherischen Tastenkombinationen und aergerten sich, dass ihr Lieblingsprogramm ausgerechnet ihrem Lieblingsdrucker die Liebe versagt. Voellig freiwillig (?) durchwachten sie Naechte um endlich die korrekten Druckereinstellungen zu finden, damit der Drucker endlich den sinnigen Satz „The quick brown fox jumps over the lazy dog.“ in drei verschiedenen Schriftarten ausdruckte…
Die Kroenung aller Schwierigkeiten war das „Betriebssystem“ DOS, das bald mehr verhinderte als es ermoeglichte. Ein fiktiver Dialog zweier PC-Benutzer (keine Computer-Freaks) Ende der 80’er-Jahre:
A: Gestern habe ich mir die neue Version von MYSTERY OF WORDS, der ultimativen Textverarbeitung gekauft. Ich kann dir sagen, ein Spitzenprogramm. Wenn nur, …
B: Wenn nur?
A: Ja wenn nur genuegend Speicher frei waere. Da kauft man einen Computer mit einem Megabyte RAM und dann meldet das Programm zu wenig Speicher. Nur wenn ich den deutschen Tastaturtreiber entferne, laesst sich mit dem Programm arbeiten.
B: Aber das macht ja nichts, die Umlaute kannst du ja immer noch ueber die dreistelligen ALT-Kombinationen eingeben.
A: Ja, aber dann komme ich in Konflikt mit den vierstelligen Optionscodes des Programms.
B: Ich habe gelesen, dass man sie deaktivieren kann, wenn man in der Datei WORDMUS.XZX die Option OTKX auf 378 setzt.
A: Meine Frau weigert sich aber trotzdem mit dem Programm zu arbeiten, sie sagt, es ist unzumutbar, dass sie sich die 7 Kombinationen fuer die Umlaute und das scharfe ss merkt. Sie hat eben keinen Sinn fuer den Fortschritt der Technik.
B: Dann sprichst du halt einfach ein PC-Verbot gegen sie aus. Dazu aenderst du nur im SETUP die Option Password auf Always. Dann gibst du GHJJK ein und anschliessend fraegt er dich nach deinem persoenlichen Passwort.
A: Und wie komme ich in dieses SETUP?
B: Dazu haeltst du bei Einschalten die Tasten Umschalt, S, Eingabe, 7 und Pause gleichzeitig.
Unbestaetigten Geruechten zufolge soll A beim Versuch gegen seine Frau das PC-Verbot auszusprechen einen Muskelfaserriss im kleinen Finger erlitten haben.
Man sieht schon, der Computer wurde zur Kulturtechnik. Die Subkultur EDV unterwanderte alle Bereiche des Lebens. Sogar beim Heurigen hoerte man Maenner ueber die korrekten CONFIG.SYS- und AUTOEXEC.BAT-Einstellungen diskutieren. Und wie schon bei der elektrischen Eisenbahn stand auch hier nicht das Funktionieren, sondern der Weg zum Funktionieren im Vordergrund…
Apple-Anwender konnten schon seit 1984 ueber derartige Probleme nur lachen. Denn einige Zeit davor hatte sich ein Forscher in einem Labor von XEROX, jener Firma, die schon Jahre zuvor fand, dass abschreiben langweilig und kopieren viel lustiger ist, ueberlegt, warum eigentlich ein so modernes Geraet wie der Computer mit einem so altmodischen Eingabegeraet wie einer Tastatur bedient werden muss. Dabei duerfte er seinem kleinen Sohn zugeschaut haben, wie er Matchbox-Autos ueber den Teppich rollte – und schon war die Maus geboren. Apple aber wunderte sich, warum sich alle PC’s noch an die Grossrechner anpassten, obwohl sie diese schon laengst ueberfluegelt hatten. Dabei duerfte der Apple-Boss auf seinen unaufgeraeumten Schreibtisch geblickt haben. Die graphische Benutzeroberflaeche war geboren, das Vorbild Schreibtisch wurde moeglichst originalgetreu auf den Flimmerschirm uebertragen…
Jahre spaeter, als Microsoft-Boss Bill Gates nichts mehr einfiel, womit er die Anwender begluecken konnte, schielte er auf diese Innovation und beglueckte die leidgeplagten DOS-Ritter mit Windows, das sich seitdem nicht entscheiden konnte, ob es ein Betriebssystem oder ein Betriebssystemaufsatz sein wollte. Im siebten Himmel aber waren die Computerhersteller. Denn die Anforderungen, die Windows an die Hardware stellt, sind bis heute nicht vollends gestillt, und Millionen Anwender warten seither auf die Rakete im PC-Gehaeuse…
Die Kulturtechnik EDV zerbroeckelt nun zusehends. Seit der Anwender keine Befehle mehr auswendig lernen muss, sondern einfach mit der Maus durch Menues blaettert und Dialogboxen die Bedienung vereinheitlichen, braucht der Anwender nicht einmal mehr den Kauderwelsch der „Benutzerhandbuecher“ lesen. Dem steigenden Analphabetismus wurde Windows durch die Einfuehrung von Symbolen und Symbolleisten gerecht, die vordergruendig die Wege mit der Maus verkuerzen sollen, hintergruendig aber schon dreijaehrigen die erste Zeichnung mit Paintbrush ermoeglichen. Verliert der Anwender dann im Jungel der Fenster doch den ueberblick, so ruft er die mit Querverweisen gespickte Hilfe auf und stoesst dann auf Texte wie diesen:
3. Druecken Sie die Tastenkombination
STRG-TASTE+UMSCHALTTASTE+EINGABETASTE.
Sie muessen sowohl die STRG-TASTE als auch die UMSCHALTTASTE gedrueckt halten, waehrend Sie die EINGABETASTE druecken. Druecken Sie nur die UMSCHALTTASTE, so wird die Formel als normale Formel in alle aktiven Zellen eingegeben. Druecken Sie nur die STRG-TASTE, wird die Formel als normale Formel in alle ausgewaehlten Zellen eingegeben.
Mit diesem und aehnlichen Texten versuchen die Chef-Denker Microsoft in Excel 4.0 zwanghaft die Kulturtechnik EDV zu retten, an deren Niedergang sie selbst nicht unwesentlich beteiligt waren. (Dis)information at your fingertips…
Am respektlosesten von allen benimmt sich gegenueber der Kulturtechnik EDV aber wieder einmal Apple. Nachdem Apple-Chef John Sculley (damals war er es noch) sich wieder einmal darueber geaergert hatte, dass er seine Klaue im eigenen Terminkalender nicht lesen konnte, gab er seinen Entwicklern den Auftrag, einen elektronischen Kalender zu entwickeln, der auch seine Klaue lesen kann. Heraus kam der Newton. Und weil Handschrifterkennung nichts mehr neues mehr war, gaben sie dem PDA (Personal Digital Assistent) auch gleich eine bisschen Kommunikationslust mit. Mittlerweile lautet das gefluegelte Wort unter High-Tech-Freaks: „Geh mir aus dem Weg, du blockierst den Infrarot-Verkehr mit meiner Frau!“ Dass der Newton auch einfache umgangssprachliche (!) Kommandos ausfuehren kann, ist ein weiterer Beweis dafuer, dass die Computer endlich kapiert haben, dass sie die Schwaecheren sind und als Assistenten des Menschen keine neue Kulturtechnik werden duerfen. Nur wenn sie sich an uns anpassen, werden auch die letzten Computer-Verweigerer ihre Meinung aendern muessen..
Es ist aber unlogisch, im Bestreben nur keine Kulturtechnik zu werden, sich auf eine andere Kulturtechnik, die Schrift, zu stuetzen. Deshalb werden wir in vielleicht zehn Jahren mit unserem Computer hauptsaechlich muendlich verkehren:
Ich muss einen Brief an meine Tante in Mailand schreiben. Die merkt sowieso nicht, wenn ich ihr zweimal den gleichen Text schreibe. Also nimm den Text vom letzten Brief und den ersten und letzten Absatz durch den Anfang und Schluss des vorletzten Briefes. Dann drucke das bitte aus, natuerlich mit Kuvert. Und schon zischt der Brief und das Kuvert durch den Drucker. Aber auch die soziale Komponente des Computers wird dadurch ermoeglicht. Der elektronische Psychologe koennte vielleicht 150 Jahre nach Sigmund Freud der Psychoanalyse fuer alle zum Durchbruch verhelfen. Dein Freund, der Computer…
Womit nun bewiesen wurde, dass sich der Computer immer weiter weg von der Kulturtechnik hin zum blechernen Menschen bewegt. Doch auf der anderen Seite der elektronischen Welt, bei den Computer-Mutanten, da lauert eine neue Gefahr: Cyperspace – die virtuelle Realitaet. Da unsere Welt physikalisch langsam unbrauchbar wird, schaffen wir uns eine virtuelle. Wir ziehen den Datenhandschuh ueber, setzen den 3D-Cyberspace-Helm auf und greifen uns das virtuelle Butterbrot, um es in die virtuelle Alufolie einzupacken, die virtuell gar nicht umweltschaedlich ist. Traeume werden Wirklichkeit – Cyberspace…
Wir werden also langsam verlernen zu traeumen und erlernen, virtuell zu denken. Das reale Risiko wird durch virtuellen Nervenkitzel ersetzt: Cybersports und Cybersex sind die Zukunft, solange Fortpflanzung sowieso nur der Papst predigt, aber nicht praktiziert. Die Cyberworld koennte nicht nur zur neuen Kultultechnik werden, sie birgt auch die Gefahr des voelligen Realitaetsverlustes in sich.
Quelle: unbekannt